Adriana
Altaras

Schauspielerin / Regisseurin / Autorin

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Foto von Adriana Altaras
  • Identität
  • Oper & Film
  • Erinnerungskultur

Biographie

Adriana Altaras ist die Allzweckwaffe der deutschen Kulturlandschaft. Die Schauspielerin führt Regie, schreibt Bücher und stampft Theater aus dem Boden. Als Kind behauptete sie im Trans-Europ-Express geboren zu sein und deshalb durch und durch Europäerin. Sie spricht fünf Sprachen – »einige sogar richtig gut« – und hat schon fast überall auf der Welt gearbeitet. In ihren Büchern erzählt sie die großen Themen des 20. Jahrhunderts anhand ihrer persönlichen Familiengeschichte, schreibt über Shoah, Titos’ Jugoslawien und jüdische Identität. »Adriana Altaras besitzt die besondere Gabe, das Lustige im Tragischen zu wittern und Schwierigkeiten mit Leichtsinn zu kontern«, schreibt die Frankfurter Rundschau.

Altaras wurde 1960 als Tochter jüdischer Partisan:innen in Zagreb geboren und wuchs in Italien und Deutschland auf. Sie studierte Schauspiel in Berlin und New York, lehrte später selbst an der Hochschule der Künste in Berlin. Zwischen 1984 und 1991 war sie Autorin, Schauspielerin und Regisseurin am von ihr mitgegründeten Theater zum Westlichen Stadthirschen. Sie spielte und inszenierte etwa am Berliner Maxim Gorki Theater, der Freien Volksbühne Berlin, dem Potsdamer Hans Otto Theater oder der Neuköllner Oper. Sie hatte Engagements u.a. in Basel, Stuttgart sowie in Konstanz und Gastspiele auf der ganzen Welt. Seit den 1980er Jahren war sie an zahlreichen Film- und Kinoproduktionen beteiligt etwa Dani Levys’ »Mein Führer«, Anna Justice’s »Max Minsky« oder »Tatort«. Ihre Bücher wie »Titos Brille« (2011), »Doitscha« (2014) oder »Die jüdische Souffleuse« (2017) waren allesamt Bestseller. Regelmäßig schreibt sie für Zeitungen und Magazine etwa die Jüdische Allgemeine Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Schriftsteller:innen-Plattform von ZEIT Online »Freitext«.

Dibbuks, das sind im jüdischen Glauben die Geister der Toten. Sie verfolgen die Lebenden und lassen ihnen keine Ruhe. Adriana Altaras Dibbuks lauern in ein paar alten Lederkoffern: Das Erbe ihrer Familie. In ihrem Debüt »Titos Brille« (2011) beschreibt sie, wie es dorthin gelangte. Nach dem Tod ihrer Eltern mistet sie deren Wohnung aus und stößt dabei auf allerlei alte Geschichten und viele Geheimnisse. Im gleichnamigen Film von Regina Schilling (2014) lässt die Autorin ihre Dibbuks aus den Koffern. Im alten Mercedes ihres Vaters folgt sie ihnen durch Deutschland, Italien und Kroatien; durch Erinnerungen, Fluchtgeschichten und Heldenerzählungen. Auch in ihrem aktuellen Buch »Besser allein als in schlechter Gesellschaft – Meine eigensinnige Tante« (2023) geht es gewohnt humorvoll um ihre besondere Familiengeschichte. »Adriana Altaras hat eine berstende Lust am Beobachten, Reflektieren, Pöbeln, Spotten. Herausgekommen ist dabei die Geschichte einer ebenso strapazierten wie strapaziösen Familie […], ganz ohne Gefühlskitsch«, sagt Deutschlandfunk Kultur.

Ob Theater, Oper oder Musical – Adriana Altaras hat ein »Faible für theatralische Projekte«. 2001 realisierte sie mit großem Erfolg die »Vagina Monologe« der New Yorker Theaterautorin Eva Ensler in der Arena in Berlin-Treptow. Als Hausregisseurin am Maxim Gorki Theater inszenierte sie zwischen 2002 und 2004 eigene Stücke wie »Jud Sauer« oder »Trauer to go«. In den folgenden zwei Jahren realisierte sie am Potsdamer Hans Otto Theater Inszenierungen wie »Julia Timoschenko« oder »Der Fall Jahnke«. An der Staatsoper Berlin arbeitete sie in Pionierprojekten mit hyperaktiven Kindern, Migrant:innen und mit Alzheimer-Patient:innen an Stücken etwa »HYP’OP« oder »Happy Hour«. Inzwischen liegt ihr Schwerpunkt im Musiktheater: Ihre Umsetzungen von »Der Barbier von Sevilla«, »Tosca«, »Rigoletto« oder »Cenerentola« waren in ganz Deutschland zu sehen.

Altaras erhielt 1988 den Bundesfilmpreis. 1993 wurde ihr der Theaterpreis des Landes Nordrhein-Westfalen verliehen. Sie war Mitglied des »Paradiso-Ensembles«, das 2000 den Silbernen Bären der Berlinale erhielt. Die von Steven Spielberg ins Leben gerufenen Shoah Foundation unterstützte Altaras ab 1994 als Interviewerin.

»Ohne Humor geht gar nichts«, ist die persönliche Devise von Adriana Altaras, deren Söhne Aaron und Lenny Altaras ebenfalls Schauspieler sind. Sie lebt in Berlin.

Vorträge

Migration hat es immer gegeben – vom Süden in den Norden, von Ost nach West. Die Menschen brachten neue Speisen mit, exportierten moderne Errungenschaften und teilten ihr Wissen über technische Innovationen. Im kulturellen und wirtschaftlichen Austausch wurde Mehrsprachigkeit zum Gewinn. Heute verlassen nicht Wenige den Ort ihrer Geburt, aber selbst wer bleibt, wird in einer sich stets wandelnden Welt in immer neue, fremde Zusammenhänge geworfen. Von uns allen wird viel Flexibilität abverlangt. Warum fällt es uns so schwer, mit Fremden, mit der Fremde umzugehen und ist Heimat überhaupt an nur einen Ort gebunden? Adriana Altaras ist überzeugt: Es gibt einen Plural von Heimat. Und das ist ein Gewinn.

Erinnerungskultur ist das Wort der Stunde. Wie aber geht Erinnern und was ist, wenn es keinen Spaß macht und Verdrängen viel leichter fällt? Deutsche und Jüd:innen, Jüd:innen und Nichtjüd:innen, Kinder und Kindeskinder des grausamen Krieges sitzen heute im selben Boot – in einem schwer beladenen Boot voller ererbter Traumata, Verdrängungen, voller Wut und Trauer. Der Zweite Weltkrieg ist über ganz Europa hinweggefegt und hat niemanden unberührt zurückgelassen. Doch als Kinder und Enkelkinder sind wir heute nicht Opfer oder Täter:innen. Das ist ein gravierender Unterschied zur Kriegsgeneration und auf paradoxe Weise etwas, das uns vereint. Wie begegnen wir uns neu und schaffen gemeinsam unsere Art zu gedenken und zu erinnern?

Auf das Wort Judentum folgt zwangsläufig der Begriff Antisemitismus – dicht gefolgt von Klezmer und gefillte Fisch. So erlebt es Adriana Altaras häufig. Aber da gibt es mehr, viel, viel mehr, sagt sie. Wie leben Juden heute in Deutschland? Leben sie gerne hier oder haben sie Angst? Sind sie ein Teil der Gesellschaft und welche innerjüdischen Diskussionen gibt es? Wie stehen Juden zu Israel und wie sieht die jüdische Kultur in den 2020er Jahren aus?

Was wird mit einer Gesellschaft passieren, deren öffentliche Begegnungsorte geschlossen werden? Wird sie stumm? Geht sie ein? Die Aufgabe der Kunst ist es, der Gesellschaft regelmäßig den Spiegel vorzuhalten. Was aber passiert, wenn Künstler:innen – als systemirrelevant deklariert – dies nicht mehr können? Was wird aus unseren Kindern? Ohne Musikunterricht, ohne Kindertheater, ohne Zirkus. In der Corona-Krise waren Kulturschaffende gezwungen alles infrage zu stellen und neue Wege zu finden, ihr Publikum anzusprechen – und sich mit Fragen zu beschäftigen, die auch unabhängig von der Corona-Krise relevant sind: Wie holt man Minderheiten ins Theater? Wie führt man Kinder zur Kunst? Wie gestaltet man Kultur barrierefrei? Wenn die Kunst der Spiegel einer jeden Gesellschaft ist, so muss sie sich jetzt erst recht ihren Weg zu den Menschen bahnen. Adriana Altaras schöpft aus ihrer jahrelangen Erfahrung als Schauspielerin, Regisseurin sowie ihrer Arbeit mit Kindern und benachteiligten Menschen. Sie macht klar, warum Kultur systemrelevant ist.

»Für die Meisten bin ich eine Art Tsunami. Zu viel Energie, zu schnell, zu viel Witz…«, sagt Adriana Altaras. Humor ist die Devise der Künstlerin, die sie leitet – im (Familien-)Alltag und in ihren diversen Berufen; eine Charaktereigenschaft, die sie das Leben verkraften und geniessen lässt. Sie sagt: »Mutter sein würde ja reichen, aber von zwei testosterongeschwängerten Söhnen? Jüdin sein wäre auch genug. Aber warum gerade dann im Epizentrum Deutschland? Opern-Regisseurin ist ein herrlicher Beruf, wenn nur diese hanebüchenen Libretti nicht wären.« Und fragt: »Was, wenn mein Tempo das richtige ist?« Ein temporeicher Vortrag.

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